Bildungsmotivation erhöhen mit flexiblen Lernmodellen
von Vorstandsassistenz
Microcredentials als Lösung für aktuelle Transformationsprozesse auf dem Arbeitsmarkt
Unsere Gesellschaft befindet sich in einem dynamischen Wandel. Arbeitsprozesse werden internationaler und digitaler, Professionsfelder werden stetig an neue Forschungsstände angepasst und auch die Pandemie hatte weitreichende Auswirkungen auf den Berufsalltag vieler Menschen … um mit diesen neuen Anforderungen des Arbeitsmarktes Schritt halten zu können, ist der lebensbegleitende Erwerb neuer Kompetenzen unabdingbar. Doch nicht jede*r hat die finanziellen Mittel oder die Zeit, das erforderliche Wissen in einem Studiengang oder einer umfangreichen Aus- oder Weiterbildung einzuholen. Die Europäische Kommission sowie internationale Hochschulverbände, Hochschulen und Universitäten sehen die Lösung dieses Problems unter anderem in sogenannten Microcredentials. Mit ihnen soll Lernen nun flexibler, selbstbestimmter und internationaler werden.
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Was genau sind Microcredentials?
Microcredentials, auch als Microdegrees oder Nanodegrees bezeichnet, können als modular kombinierbare Mini-Qualifikationen verstanden werden. Mit Microcredentials können sich Weiterbildungsinteressierte im Rahmen eines Kurses oder Moduls kompaktes Wissen in einem bestimmten Themenbereich aneignen. Die Hochschulrektorenkonferenz erklärt, die Idee hinter Microcredentials sei die, „dass Studieninhalte im Sinne von größtmöglicher Modularisierung und Aggregationsfähigkeit in Kleinstteile zerlegt und auch wieder zusammengesetzt werden können.“[1]
In die Tat umgesetzt könnten Studierende so Leistungspunkte für ihr Studium erwerben, während Arbeitnehmer*innen berufsbegleitend oder im Rahmen betrieblicher Weiterbildungsangebote neue „Future Skills“ erwerben könnten. Auch Arbeitsuchenden, gering Qualifizierten oder benachteiligten Bevölkerungsgruppen würde so niedrigschwelliger Bildungszugang gewährt.
Ziel ist es, wissenschaftliche und berufliche Weiterbildung zugänglicher, flexibler, mobiler und internationaler zu machen. Die Kurse sollen in Präsenz, digital oder hybrid stattfinden.
Microcredentials als schnelle Lösung für sich wandelnde Tätigkeitsfelder
Dass Bildungsabschlüsse vergleichbar und international wettbewerbsfähiger werden müssen, wurde bereits vor 20 Jahren erkannt und mithilfe des Bologna-Prozesses und der Einführung des Bachelor- und Master-Systems in die Wege geleitet. Den Trend hin zu mehr Flexibilität und Mobilität entdecken in den letzten Jahren zunehmend auch Bildungsanbieter*innen und größere Unternehmen für sich.
„Formen des Microlearnings und neue Qualifikationsformen wie Microcredentials passen perfekt in unsere aktuelle Zeit“, so Jan Ihwe, Vorsitzender des Vorstands der DGWF.
„Wir als Weiterbildungsbeauftragte haben die Aufgabe, auf aktuell stattfindende Transformationsprozesse einzugehen und unseren Beitrag zum Wandel zu leisten. Wichtig ist es auch, möglichst passende Angebote zu aktuellen Themen- und Fragestellungen zu bieten und Bildungsinteressierten smarte Einstiege für ihren individuellen Kompetenzerwerb zu bieten.“
Ihwe sieht in den kürzeren Formaten die Chance, Menschen die Möglichkeiten zu geben, sich auf Hochschulniveau weiter zu qualifizieren. Viele Bildungsinteressierte möchten oder können keinen umfangreichen Lehr- oder Studiengang absolvieren, sondern haben eine ganz spezifische Bildungslücke in einem bestimmten Bereich und möchten diese kompensieren beziehungsweise eine Antwort auf eine aktuelle berufliche Fragestellung oder Herausforderung erhalten. Da sind kleiner angelegte, niedrigschwellige Bildungsformate eine tolle Möglichkeit.“
Aktueller Stand und Herausforderungen
Im Rahmen der „neuen europäischen Agenda für die Erwachsenenbildung 2021-2030“ einigten sich die EU-Staats- und Regierungschefs darauf, bis zum Jahr 2030 60 Prozent aller Erwachsenen jährlich ein Weiterbildungsangebot zu ermöglichen. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, arbeitet die Kommission an einer standardisierten Definition und einem einheitlichen Schlüssel für die Beschreibung, Bewertung und Entwicklung von Microcredentials.
Die Europäische Kommission bemüht sich, dabei „so weit wie möglich auf bestehenden Instrumenten auf[zu]bauen und sicher[zu]stellen, dass der Wert von Microcredentials unabhängig von der ausstellenden Stelle ist.“[2] Bei der Definition der Microcredentials stellen sich allerdings noch viele Fragen. So zum Beispiel auch die nach den Schlüsselprinzipien der Zertifizierung. Müssen die kleineren Lernerfahrungen zwangsläufig mit Leistungspunkten, also Credit Points, bewertet werden oder könnten sie auch mit einer Prüfungsnote oder einem Zertifikat abschließen? Und wie können Anrechnungsprozesse von kleinen Lerneinheiten abgebildet werden?
Die DGWF richtet sich bei der Einordnung von Abschlüssen nach einem Transparenzraster, das die Landesgruppe Baden-Württemberg erarbeitet hat. Die folgende Grafik stellt die Abschlüsse im Überblick dar:
Im Sinne des DGWF-Transparenzrasters könnten dementsprechend einzelne Module oder Weiterbildungskurse Microcredentials sein. Hierzu wird die DGWF sich positionieren. Auch das Transparenzraster wird entsprechend angepasst und erweitert werden.
Ilona Arcaro, Leiterin der wissenschaftlichen Weiterbildung der Technischen Hochschule Köln und aktiv in der DGWF, sieht bei den Microcredentials neben der Schwierigkeit einer einheitlichen Zertifizierung außerdem Herausforderungen in der inhaltlichen Gestaltung beziehungsweise der Qualitätssicherung: „Es sollte auch bei kürzer gefassten Lernerfahrungen immer noch um Kompetenzentwicklung und nicht um reine Wissensanhäufung gehen. Auch wenn die Bildungsangebote weniger Umfang haben, sollte das Gelernte im Anschluss an den Kurs reflektiert zur Anwendung gebracht werden können.“
Trotz noch unklarer Definition werden Formen des Microlearnings bereits sowohl in einigen Einrichtungen der höheren und beruflichen Aus- und Weiterbildung als auch an Hochschulen angeboten. Lernangebote wie E-Learnings, Workshops und Webinare ermöglichen überschaubaren und punktuellen Kompetenzerwerb. Besonders für die Aneignung von gut vergleichbaren Hard Skills wie beispielweise Sprachkenntnissen eignen sich die sogenannten Microcredentials.
Microlearning als Zukunft des Lernens?
Formen des Microlearnings scheinen großes Potential zu besitzen, neue individuelle Lern- und Weiterbildungserfahrungen sowie mehr Inklusion und Bildungsmotivation zu ermöglichen.
„Auch an der TH Köln rückt das Microlearning immer mehr in den Fokus. Aktuell arbeiten wir zum Beispiel an der Einführung von Badges“, erzählt Meik Schild-Steiniger von Zentrum für Bibliotheks- und Informationswissenschaftliche Weiterbildung der TH Köln. „Badges sind digitale Kompetenznachweise, die für eine erbrachte Leistung innerhalb eines Moduls oder Kurses vergeben werden können. Wenn ein*e Teilnehmer*in beispielsweise Aufgaben als Teamlead wahrnimmt oder eine andere besondere Leistung im Rahmen der Weiterbildung erfüllt, kann er oder sie dafür in Zukunft ein digitales Badge erhalten, das zum Beispiel bei LinkedIn hochgeladen werden kann.“
Das Microlearning ist eng verbunden mit Konzepten wie dem selbstgesteuerten, dem lebenslangen und dem informellen Lernen. Ebenso wie auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft müssen auch in der wissenschaftlichen, beruflichen und betrieblichen Bildung non-lineare, inklusive, individualisierte und flexible Methoden und Qualifikationen geschaffen werden, die mit dem Zeitgeist mithalten. Doch auch wenn die kompakten Small Learning Units zunehmend Einzug in Bildungseinrichtungen und Unternehmen halten, so ist es bis zur finalen, standardisierten und europaweiten Umsetzung des Konzepts „Microcredentials“ noch ein langer Weg.
Caption für LinkedIn:
Der sich durch Digitalisierung und ökologischen Wandel rasch transformierende Arbeitsmarkt macht den Erwerb neuer Kompetenzen unabdingbar. Doch nicht jede*r hat die zeitlichen und finanziellen Ressourcen, um sich eine umfangreiche #Weiterbildung zu leisten. Niedrigschwellige Bildungsangebote und flexible Lernmodelle könnten eine Lösung darstellen. Die Europäische Kommission setzt große Hoffnungen in Small Learning Units, sogenannte #Microcredentials. Was es damit auf sich hat, erfahren Sie in unserem Blogbeitrag.
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Quellen:
https://www.fh-bielefeld.de/digitalmobil/microcredentials
https://education.ec.europa.eu/de/education-levels/higher-education/micro-credentials
https://www.blink.it/blog/micro-credentials
https://dgwf.net/projekte.html
https://www.hrk-modus.de/projekt/zukunftswerkstaetten/microcredentials/
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32021G1214(01)&from=EN
[1] Hochschulrektorenkonferenz (2020): Micro-Degrees und Badges als Formate digitaler Zusatzqualifikation, Bonn
[2] European Commission: Ein europäischer Ansatz für Microcredentials. URL: https://education.ec.europa.eu/de/education-levels/higher-education/micro-credentials